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Semester | Frühjahrsemester 2019 |
Angebotsmuster | einmalig |
Dozierende | Philipp Marti (philipp.marti@unibas.ch, BeurteilerIn) |
Inhalt | Geschichtsschreibung und historisches Lernen basieren auf Grundprinzipien von Konstruktivität und Multiperspektivität: Über dieselbe Vergangenheit lassen sich unterschiedliche Geschichten erzählen. Im Feld der schulischen und ausserschulischen Geschichtsvermittlung birgt die damit verbundene Abkehr von der monoperspektivischen (durch die Autorität von Schulbuch und Lehrperson verkörperten) historischen Meistererzählung Chancen und Herausforderungen zugleich. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei der Frage nach dem Umgang mit Fiktionalität zu, und zwar sowohl bei der Re- wie auch der De-Konstruktion von historischen Erzählungen: Einerseits ist die Historiographie, auch wenn sie sich nicht in einem engeren Sinn dem «Linguistic Turn» (Hayden White, 1973) verpflichtet fühlt, von der bei der Etablierung als wissenschaftliche Disziplin im 19. Jahrhundert gepflegten Prämisse der Gegenüberstellung von vermeintlich genuin Wahrem («Tatsachen») vs. Fiktivem abgekommen. Vielmehr wird anerkannt, dass man beim Narrativieren historischer Fakten nicht darum herumkommt, Leerstellen zu füllen. Zugespitzt stellt zu diesem Zweck wissenschaftsbasierte «Phantasie» ein notwendiges Hilfsmittel dar (Fried, 1996). Andererseits existieren in der Geschichtskultur einer modernen, pluriformen und kommerzialisierten Gesellschaft eine Vielzahl identitätsrelevanter und ästhetisch anregender Geschichten mit strittiger Triftigkeit bis hin zu offener Fiktionalität (Mythen, Legenden, populäre Medien wie historische Romane, Spielfilme, Fernsehserien, Computergames u.a.), die im Geschichtsbewusstsein namentlichen von jungen Lernenden sehr wirkungsmächtig sein können und teilweise Vorstellungen von ganzen Epochen prägen. Als Beispiel kann die in einer mittelalterlichen Welt spielende, rein fiktive Fernsehserie «Game of Thrones» genannt werden. Beide Aspekte von Fiktionalität bedürfen einer grundlegenden didaktischen Problematisierung und Reflexion. Unter dem Vorzeichen der geschichtstheoretischen Debatte um Narrativität kam es insbesondere ab den 1980er-Jahren zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit bzw. einer schrittweisen Rehabilitierung von Fiktionalität im Geschichtsunterricht, nachdem insbesondere die damit primär assoziierte Methode der «Geschichtserzählung» im Zuge der Hinwendung zum Arbeitsunterricht der 1970er-Jahre und im Kontext eines kritischen Zeitgeistes unter Ideologieverdacht geraten und weitestgehend diskreditiert gewesen war. Fiktionalität stellt nach alldem ein übergeordnetes Diskussionsfeld historischen Lernens (vgl. sehr aktuell: ZfGD 17) wie auch geschichtswissenschaftlicher Erkenntnis dar, überdies kommt der Kategorie gegenwärtig in Zusammenhang mit Schlagworten wie «Fake news» und «postfaktisch» auch über das Feld der Wissenschaft hinaus eine hohe Relevanz zu. In der Veranstaltung wird historische Fiktionalität anhand einer Vertiefung in damit zusammenhängende Debatten der Geschichtsdidaktik wie beispielsweise um die Rolle von historischer Imagination (u.a. Schörken, 1994), von emotionalen Aspekten historischen Lernens (u.a. Brauer et. al., 2013) und unter dieser beider Gesichtspunkte von Subjektorientiertheit generell (u.a. v. Borries, 2015) auf einer theoretischen Ebene verhandelt und mit Blick auf Prinzipien wie «Anschaulichkeit» oder «Gegenwartsbezug», den Einfluss unterschiedlicher historischer Medien (Schulbuch, Bilder, Filme u.a.) oder handlungsorientierte Ansätze (etwa «kreatives Schreiben») unterrichtsmethodisch gewendet. |
Literatur | Borries, Bodo v.: „Subjektorientiertes“ Geschichtslernen ist nur als „identitätsreflektierendes“ wünschenswert! In: Heinrich Ammerer, Thomas Hellmuth und Christoph Kühberger (Hg.), Subjektorientierte Geschichtsdidaktik, Schwalbach/Ts.: Wochenschau, 2015, S. 93-129. Juliane Brauer, Martin Lücke (Hg.): Emotionen, Geschichte und historisches Lernen. Geschichtsdidaktische und geschichtskulturelle Perspektiven. Göttingen: V&R unipress, 2013. Fried, Johannes: Wissenschaft und Phantasie. Das Beispiel der Geschichte. In: Historische Zeitschrift 263 (1996), S. 291-316. Jauss, Hans Robert: Der Gebrauch der Fiktion in Formen der Anschauung und Darstellung der Geschichte. In: Reinhart Koselleck, Heinrich Lutz und Jörn Rüsen (Hg.), Formen der Geschichtsschreibung, München: dtv, 1982, S. 415-451. Memminger, Josef: Schüler schreiben Geschichte: kreatives Schreiben im Geschichtsunterricht zwischen Fiktionalität und Faktizität. Schwalbach/Ts.: Wochenschau, 2007. Schörken, Rolf: Historische Imagination und Geschichtsdidaktik. Paderborn et. al.: Schöningh, 1994. White, Hayden: Metahistory: The Historical Imagination in Nineteenth Century Europe. Baltimore et. al.: Johns Hopkins UP, 1973. Zeitschrift für Geschichtsdidaktik (ZfGD) 17 (2018), Themenschwerpunkt „Fakten und Fiktionen“ (im Druck). |
Teilnahmebedingungen | BA-Abschluss Keine HörerInnen |
Unterrichtssprache | Deutsch |
Einsatz digitaler Medien | kein spezifischer Einsatz |
Intervall | Wochentag | Zeit | Raum |
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Keine Einzeltermine verfügbar, bitte informieren Sie sich direkt bei den Dozierenden.
Module |
Modul Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur (Masterstudium: Educational Sciences) Modul: Praxis (Master Studiengang: Europäische Geschichte (Studienbeginn vor 01.08.2018)) Modul: Praxis (Master Studienfach: Geschichte) Modul: Reflexion, Methodik, Praxis (Master Studiengang: Europäische Geschichte in globaler Perspektive ) |
Leistungsüberprüfung | Lehrveranst.-begleitend |
An-/Abmeldung zur Leistungsüberprüfung | Anmelden: Belegen; Abmelden: Dozierende |
Wiederholungsprüfung | keine Wiederholungsprüfung |
Skala | Pass / Fail |
Wiederholtes Belegen | nicht wiederholbar |
Zuständige Fakultät | Institut für Bildungswissenschaften, bildungswissenschaften@unibas.ch |
Anbietende Organisationseinheit | Institut für Bildungswissenschaften |