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53872-01 - Seminar: Sexualitätsdispositive. Die "Geschichte der Sexualität" mit Michel Foucault betrachtet 3 KP

Semester Frühjahrsemester 2019
Angebotsmuster einmalig
Dozierende Matthias Wittmann (matthias.wittmann@unibas.ch, BeurteilerIn)
Inhalt Im vergangenen Jahr ist posthum der vierte Band von Michel Foucaults 'Geschichte der Sexualität' erschienen. Es handelt sich hierbei nicht um eine kontinuierliche Kulturgeschichte, sondern um eine Reihe von Untersuchungen, programmatischen Skizzen und akribischen Diskursanalysen, die mit der Programmschrift 'Der Wille zum Wissen' (1976) ihren Anfang nahmen und als Kulminationspunkt von Foucaults Beschäftigung mit den Dispositiven der Macht betrachtet werden können.

Um Vertrautheiten und Selbstverständlichkeiten zu stören, setzt Foucault 'Sexualität' von Anfang an unter Anführungszeichen: Gestellt wird nicht die Frage nach der bunten Vielfalt sexueller Verhaltensweisen in der Geschichte des Abendlandes, sondern nach dem 'sexe' und der 'sexualité' als Gegenstand des Wissens, der Verwaltung und der institutionellen Regelung durch Religion, Medizin, Hygiene, Pädagogik, Strafrecht und Bürgertum. Durch welche Wahrheitsspiele und Machtsysteme hat sich der Mensch als Begehrensmensch erfahren? Welche Körpertechniken, Disziplinierungen und Selbstsorgen liessen Subjekte (= Untertanen) entstehen, die in der Erfahrung einer geheimnisvollen Kraft der 'Sexualität' eine mehr oder weniger problematische Identität fanden.

In erster Linie ist 'Sexualität' für Foucault ein Begriff für die Vielfalt an Kräfteverhältnissen. Die Dispositive der Macht – so Foucaults provokante Ausgangsthese in 'Der Wille zum Wissen' – haben den Sex nicht unterdrückt, sondern erzeugt, als Gegenstand konstruiert und als Untersuchungsfeld ausbuchstabiert. Indem sie den Sex zur 'Ursache von allem und jedem' und zu einem Geheimnis erklärte, dem es in jeder Pore nachzustellen gelte, hat die Macht - die bei Foucault immer relational gedacht ist - den Sex gleichsam benützt, um ihren Wirkungsbereich auszubauen. Die 'Geschichte der Sexualität' wird somit zu einer Geschichte der Verfeinerung des Feldes der Lüste durch Machttechniken, die unaufhörlich Anreize erzeugen, um 'vom Sex sprechen zu hören' und darüber Körper zu beherrschen; so etwa in der Tradition des Geständniszwangs, die bei Foucault vom christlichen Bussritual bis zur psychoanalytischen 'talking cure' reicht.

Das Seminar bietet keine Einführung zu Michel Foucault, sondern adressiert Student_innen, die in ihrer Foucault-Lektüre fortgeschrittener sind und sich vertiefend mit dem Themenkomplex 'Sexualität-Macht-Wissen' beschäftigen wollen, unter besonderer Akzentuierung medialer Techniken der Ausdifferenzierung und Diskursivierung von Sexualität. Entlang von Foucaults 'Geschichte[n] der Sexualität', unter besonderer Berücksichtigung des ersten Bandes, wird es darum gehen, zentrale Konzepte zu erarbeiten (u.a. 'Repressionshypothese', 'Selbsttechnologie/Selbstsorge', 'Sexualitätsdispositiv', 'Zensur', 'Biopolitik', 'Geständnis', 'Wahrsprechen', 'Subjekt/Sujet', 'Aesthetik der Existenz'), um im zweiten Teil diese Konzepte mit kultur- wie medientheoretischen Texten anderer Autoren (Judith Butler, Linda Williams, Dominic Pettman etc.) sowie Filmen und Serien in produktiven Austausch treten zu lassen. Hierbei wird insbesondere die HBO-Serie 'The Deuce' im Zentrum stehen, die eine ganz besonders foucaultianisch ausdeutbare Geschichte des Strassenstrichs und der beginnenden Pornoindustrie in NYC der 1970er Jahre erzählt.

Das Seminar bietet somit auch Gelegenheit, Foucaults Theorie anzuwenden und seine Konzepte als Analyseinstrumentarium am konkreten filmischen Material zu erproben.
Literatur - Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit 1-3 ['Der Wille zum Wissen'; 'Der Gebrauch der Lüste';
'Die Sorge um sich'], Frankfurt/Main 1983ff.

- Michel Foucault: Les aveux de la chair, Paris 2018 [Histoire de la Sexualité 4]

Zur Anschaffung empfohlen wird insbesondere der erste Band ('Der Wille zum Wissen').

Referenzfilme & - serien (voraussichtlich):
'The Deuce' (USA 2017ff.)
Nymphomaniac I (Dänemark 2013, Lars von Trier)
L'Apollonide (F 2011, Bertrand Bonello)
La Chatte à deux têtes (F 2002, Jacques Nolot)
Utopia (BRD 1983, Sohrab Shahid Saless)

 

Teilnahmebedingungen Für MA-Studierende.
Unterrichtssprache Deutsch
Einsatz digitaler Medien kein spezifischer Einsatz

 

Intervall Wochentag Zeit Raum

Keine Einzeltermine verfügbar, bitte informieren Sie sich direkt bei den Dozierenden.

Module Modul: Forschungsorientiertes Studium (Master Studienfach: Medienwissenschaft)
Modul: Medienästhetik MA (Master Studienfach: Medienwissenschaft)
Leistungsüberprüfung Lehrveranst.-begleitend
Hinweise zur Leistungsüberprüfung Referate und Essay.
An-/Abmeldung zur Leistungsüberprüfung Anmelden: Belegen; Abmelden: nicht erforderlich
Wiederholungsprüfung keine Wiederholungsprüfung
Skala Pass / Fail
Wiederholtes Belegen nicht wiederholbar
Zuständige Fakultät Philosophisch-Historische Fakultät, studadmin-philhist@unibas.ch
Anbietende Organisationseinheit Fachbereich Medienwissenschaft

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