Zur Merkliste hinzufügen
Zurück

 

54059-01 - Seminar: Kindheit zwischen Rosa-Hellblau Falle und Genderkreativität. Ein Spannungs- und Interventionsfeld 3 KP

Semester Frühjahrsemester 2019
Angebotsmuster unregelmässig
Dozierende Dominique Grisard (dominique.grisard@unibas.ch, BeurteilerIn)
Inhalt Wie nie zuvor organisiert die griffige Formel „Rosa ist für Mädchen, blau für Jungen“ den Alltag von Kindern, ihren Bezugs- und Betreuungspersonen, vom dunkelblauen Strohhalm, ohne den der zweijährige Junge seinen Joghurtdrink beim Frühstück partout nicht austrinkt, oder dem rosa Tutu, das das dreijährige Mädchen trotz Wintertemperaturen unbedingt anziehen will, bis hin zum Gute-Nacht-Ritual, das bei Jungen von Helden, Dinosauriern oder Robotern auf Bilderbüchern, Pyjamas, Zahnbürsten, Shampoos und Bettwäsche begleitet wird, bei Mädchen von Prinzessinnen und Feen. Die Kinderkonsumkultur ist derart systematisch in Jungen- und Mädchenfiguren, -farben und -formen unterteilt, so dass viele Kinder nichts anderes kennen als geschlechterstereotyp eingerichtete Kinderzimmer und Kindertagesstätten, farblich markierte Mädchen- und Jungenabteilungen in Kaufhäusern, und nicht zuletzt strikt unterteilte Mädchen- und Jungenfilme, -Fernsehserien, -Games, -Kleider, -Accessoires und -Spielwaren. Wer wie die Firma Thames & Kosmos Chemiebaukasten an Mädchen verkaufen will, vermarktet diese als pinkes Parfümlabor oder mit einer Barbie als Lockvogel. In (populär-)wissenschaftlichen Analysen wird häufig von einer „gender trap“ (Kane 2012) oder „Genderfalle“ (Schnerring und Verlan 2014) gesprochen, die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen dramatisiere, naturalisiere und kommodifiziere.

Gleichzeitig haben wir es mit der ersten Generation von Familien zu tun, die geschlechter-nichtkonformes Verhalten und Identifikationen von Kindern bejahen und auch ermöglichen (Travers 2018; Meadow 2018). Aufgrund des unermüdlichen Engagements von trans* Menschen und ihren Verbündeten, aber auch von Sozialen Medien und Netzwerk-Dienstleistern wie Facebook, sind Bezeichnungen wie geschlechterkreativ, gender einzigartig, gender variabel, pink boys, tomboys oder trans* Teil des Alltags geworden. Noch vor kurzem suchten Eltern mit geschlechter-nichtkonformen Kindern psychiatrische Hilfe auf in der Hoffnung auf eine „Heilung“ von ihrem so genannten Gender Identity Disorder (GID). Bis 2013 wurde GID in einem der führenden diagnostischen Leitfaden der Psychiatrie als psychische Störung klassifiziert. Heute nennen viele Eltern, Kinderbetreuer*innen, Lehrkräfte und Therapeut*innen geschlechterkreative und trans* Kinder bei ihrem selbstgewählten Namen und ermöglichen ihnen, sich nach ihren Wünschen zu kleiden und zu entfalten. Auch hier spielen die Farben rosa und blau eine bedeutsame Rolle, wie sich auch in der transgender Flagge zeigt. Kurz: Wir haben es einerseits mit einer Verstärkung der dichotomen Geschlechterordnung in der Kinderkonsumkultur zu tun und andererseits mit deren Ausweitung und Aufweichung.

Dieses Seminar beschäftigt sich mit dieser paradoxen Gleichzeitigkeit von Persistenz und Wandel von Geschlechterdifferenzen in der Kindheit. Die Lektüre, Diskussionen und praktischen Übungen sollen dazu anregen, diese zwei gegenläufig erscheinenden Entwicklungen zusammen zu denken und danach zu fragen, inwiefern sie sich gegenseitig bedingen. Ziel ist es, ein besseres Verständnis des Spannungsfeldes von Persistenz und Wandel von Geschlechterdifferenzen in der Kindheit zu erhalten, Expert*innen über aktuelle Tendenzen in der Kinderkonsumkultur zu befragen, Initiativen wie Pinkstinks!, Let Toys Be Toys und Parents of Transgender* Kids kennenzulernen und nicht zu letzt darüber nachzudenken, wie in die stereotype Unterscheidung in Mädchen- und Jungenkonsumkultur wirkungsvoll interveniert werden könnte.
Literatur Robin Bernstein: Racial Innocence: Performing American Childhood from Slavery to Civil Rights, New York University Press 2011. H

Kerstin Böhm: Archaisierung und Pinkifizierung. Mythen von Männlichkeit und Weiblichkeit in der Kinder- und Jugendliteratur, Transcript 2017. P

Steven Bruhm & Natasha Hurley (Hg.): Curiouser. On the Queerness of Children, University of Minnesota Press 2004. H

Claudia Castañeda: Childhood, in: TSQ: Transgender Studies Quarterly (1 May 2014) 1 (1-2): 59–61.
Schnerring, Almut; Verlan, Sascha: Rosa-Hellblau Falle. Für eine Kindheit ohne Rollenklischees, Verlag Antje Kunstmann 2014.

Lori Duron: Raising My Rainbow: Adventures in Raising a Fabulous, Gender Creative Son, Random House LLC 2013. T

Danielle R. Egan & Gail Hawkes: Theorizing the Sexual Child in Modernity, Palgrave 2010. H

Diane Ehrensaft: The Gender Creative Child. Pathways for Nurturing and Supporting Children Who Live Outside Gender Boxes, The Experiment 2016. T

Grisard, Dominique: “Real Men Wear Pink?,” A Gender History of Color, Regina Lee Blaszczyk & Uwe Spiekermann (Hgs.): Bright Modernity. Color, Commerce and Consumption in Global Perspective, Palgrave Macmillan 2017.

Grisard, Dominique: Pink Boys: Colouring Gender, Gendering Affect, in: Norma. International Journal for Masculinity Studies, 15 April 2017. T

Emily W. Kane: “No Way My Boys Are Going To Be Like That!” Parents' Responses to Children's Gender Nonconformity, Gender & Society (20) 2: 149 – 176. T

Emily W. Kane: The Gender Trap: Parents and the Pitfalls of Raising Boys and Girls, New York University Press 2012. P

Amy McNally: Teaching Trans for Children, Youth, and Adults Who Care for Them: A Review of Children's Picture Books and Young Adult Memoirs, in: TSQ: Transgender Studies Quarterly (1 August 2015) 2 (3): 503–508. T

Tey Meadow: Trans Kids: Being Gendered in the 21st Century, California University Press 2018. T

Tey Meadow: Child, in: TSQ: Transgender Studies Quarterly (1 May 2014) 1 (1-2): 57-59. T

Stevie Schmiedel: Pink für Alle. Der_ neue feministische Protest gegen Sexmismus in Werbung und Spielzeug, Hamburg 2015. P

Ann Travers: The Trans Generation: How Trans Kids (and Their Parents) Are Creating a Gender Revolution, New York University Press 2018. T
Bemerkungen Unsere 1. Sitzung findet am 26.2. statt

 

Teilnahmebedingungen Englischkenntnisse, Eigeninitiative, Kreativität
Unterrichtssprache Deutsch
Einsatz digitaler Medien kein spezifischer Einsatz

 

Intervall Wochentag Zeit Raum

Keine Einzeltermine verfügbar, bitte informieren Sie sich direkt bei den Dozierenden.

Module Modul Entwicklungs- und Sozialisationsprozesse (Masterstudium: Educational Sciences)
Modul Entwicklungs- und Sozialisationsprozesse (Bachelorstudium - Philosophisch-Historische Fakultät)
Modul Themenfeld: Lebensverhältnisse, Umwelt und Ökonomie (Bachelor Studienfach: Geschlechterforschung)
Modul Themenfeld: Subjekt, Körper, Identität (Bachelor Studienfach: Geschlechterforschung)
Modul Vertiefung Themenfeld: Lebensverhältnisse, Umwelt und Ökonomie (Master Studienfach: Geschlechterforschung)
Modul Vertiefung Themenfeld: Subjekt, Körper, Identität (Master Studienfach: Geschlechterforschung)
Vertiefungsmodul (Transfakultäre Querschnittsprogramme im freien Kreditpunkte-Bereich)
Leistungsüberprüfung Lehrveranst.-begleitend
An-/Abmeldung zur Leistungsüberprüfung Anmelden: Belegen; Abmelden: nicht erforderlich
Wiederholungsprüfung keine Wiederholungsprüfung
Skala Pass / Fail
Wiederholtes Belegen beliebig wiederholbar
Zuständige Fakultät Philosophisch-Historische Fakultät, studadmin-philhist@unibas.ch
Anbietende Organisationseinheit Fachbereich Gender Studies

Zurück