Semester | Herbstsemester 2020 |
Angebotsmuster | einmalig |
Dozierende | Jürgen Mohn (juergen.mohn@unibas.ch, BeurteilerIn) |
Inhalt | Die Fasnacht in Basel ist Teil der europäischen Karnevalstradition. In ihrer aktuellen Form ist sie weniger als 150 Jahre alt, aber ihre Wurzeln reichen bis ins Spätmittelalter und in die Frühe Neuzeit. Heute wird die Basler Fasnacht als ein rein säkulares Ereignis wahrgenommen. Rituelle und religiöse Dimensionen sind aber, mindestens unterschwellig, erkennbar. Unser Studientag soll diesen verborgenen Seiten der Fasnacht nachspüren. In Referaten und in der Diskussion in Arbeitsgruppen mit den Referenten stehen folgende Fragen im Vordergrund: Inwiefern hat der Protestantismus die heutige Form der Fasnacht geprägt? Inwiefern bietet die Beteiligung an der Fasnacht eine Form religiöser Praxis oder spiritueller Erfahrung? Gibt es an der Fasnacht kognitive Dissonanzen, zum Beispiel die Behauptung, Fasnacht sei weltlich, aber voller stillschweigender religiöser Verhaltensweisen und Erfahrungen? Wie sind religiöse Figuren und religiöse Institutionen an der Fasnacht vertreten, wie werden sie kritisiert? Was sind die historischen Wechselwirkungen zwischen Fasnacht und der Kirche? Wie werden Ideen aus der Religionswissenschaft im öffentlichen Diskurs herangezogen, um die Religiosität der Fasnacht zu beschreiben, zum Beispiel Vorstellungen von „Liminalität“ und einer „auf den Kopf gestellten Welt“? Dominik Wunderlin: Teufel, Harlekin und «dr Pfaarer vo Hääsige» Die Beziehung zwischen Fas(t)nacht und Kirche am Beispiel Basel Die Fastnacht hat christliche Wurzeln, zählt aber nicht eigentlich zum kirchlichen Festjahr. In katholischen Gegenden hat die fastnächtliche Narretei die Funktion eines Schwellenfests vor dem Aschermittwoch. Die mittelalterliche Fastnacht führte man auf Augustinus mit seiner Lehre vom Zwei-Staaten-Modell zurück, sie stand somit für die civitas diaboli und wurde als didaktisches Beispiel geduldet. In vorreformatorischer Zeit wurde das ausschweifende Treiben aber auch und vor allem in Predigten der Dominikaner und der Franziskaner heftiger Kritik ausgesetzt. Auch an der Geschichte der Basler Fas(t)nacht lässt sich zeigen, wie die Kirche im Laufe vieler Jahrhunderte gegen die Narretei kämpfte, zumal mit Einführung der neuen Lehre das Fastengebot aufgehoben war und das närrische Treiben als grundlos und schädlich bezeichnet wurde. Viel später, im 19. Jahrhundert, hat die Emanzipation der Katholiken einen starken und nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung und das Bild der Basler Fas(t)nacht. Trotz des heute profanen Charakters des grössten urbanen Festes der Rheinstadt sind die Kirchen am Rande weiterhin präsent – auch mit eigenen Angeboten. Im Vortrag werden auch einige Beispielen aus den letzten Jahrzehnten zu zeigen, dass die Kirchen resp. Exponenten immer wieder auch zum Sujet werden. Es wird zu zeigen sein, welche Grenzen hier bestehen, was Tabu ist und warum? Dominik Wunderlin, lic. phil. I, Kulturwissenschaftler, Publizist, Vizedirektor/Kurator Europa am Museum der Kulturen Basel i. R. Dominik Wunderlin publizierte Zahlreiche Artikel und Bücher zum Thema Basler Fasnacht und organisierte viele Ausstellungen zu den verschiedensten Themen der europäischen Ethnologie. Aktiver Fasnächtler in einer Basler Clique. Olga Cieslarova: Struktur, Revolte und Rituelle Dynamik der Basler Fasnacht, oder warum die Wilde Fasnacht so wichtig ist Das Referat zeigt am Beispiel der Basler Fasnacht, inwiefern Rituale den Eindruck von Tradition und Unveränderlichkeit erwecken und dennoch offen für Veränderungen und Innovationen sein können. Als konzeptionelles Grundgerüst verwende ich den Begriff der Liminalität, den Victor Turner als den kreativen Moment des Rituals identifizierte. In der Fasnacht erscheint diese Grenzdimension in zwei Graden. Der Karneval als solcher stellt ein reflexives liminales Gegenstück zur normalen Gesellschaftsstruktur dar, ist aber selbst stark strukturiert und an konservative traditionelle Regeln gebunden. Als Reaktion darauf entsteht in der Fasnacht eine Liminalität „zweiten Grades“ in Form der so genannten wilden Fasnacht, die die offiziellen antistrukturellen Regeln der Fasnacht erneut auf den Kopf stellt und ihre Gültigkeit überprüft. Während die Karnevalsstruktur eine geregelte Möglichkeit bietet, das alltägliche Sozialverhalten in Frage zu stellen, hinterfragt die wilde Fasnacht auch diese geregelte Fragestellung als solche und eröffnet Raum für ihre Reflexion und Veränderung. Anhand detaillierter Beispiele werde ich zeigen, wie die subtile Dialektik von Struktur und Antistruktur die Tradition der Basler Fasnacht am Leben erhält und weiterentwickeln kann, ohne ihre Aura der Tradition zu zerstören. Der Vortrag basiert auf einer achtjährigen Feldforschung an der Basler Fasnacht. MgA. Olga Cieslarová, Ph.D., ist Junior Researcher am Institut für Religionswissenschaft der Karlsuniversität in Prag. Sie befasst sich mit der Rolle öffentlicher Festlichkeiten in der modernen Gesellschaft. 2011 verliebte sie sich in Basel Fasnacht und nimmt seitdem aktiv daran teil. Im Jahre 2012 hat sie in Prag ein neues Ritual ins Leben gerufen, eine satirische Parade namens Velvet Carnival (www.velveticarnival.cz), die von der Basler Fasnacht inspiriert ist und in der tschechischen Metropole eine neue Tradition prägen soll. Anne Beutter, Luzern: Stadt als Rituallandschaft. Die Basler Fasnacht als Grossritual Die Basler Fasnacht weist eindeutige Charakteristika von Grossritualen auf. Der Beitrag näher sich aus einer ritualtheoretischen Perspektive der Beschreibung dessen, was an der Fasnacht passiert, wenn der «Geist der Fasnacht» beschworen wird und in der Innenstadt liminale Zonen entstehen. Der Vortrag geht dabei auf zwei Tiefenschärfen ein: Zum einen identifiziert er einen ‘kleinsten gemeinsamen Nenner’ der freien Strassenfasnacht, eine Ritual-Sequenz, die einen zentralen Teil des inkorporierten Fasnachtswissens ausmacht. Zum anderen skizziert er die sich selbst verstärkende Struktur von Sektoren und dynamisch wachsenden und schrumpfenden Zonen der Stadt als Rituallandschaft. Zusammen erscheinen diese Elemente als zentrale Voraussetzungen, die das Grossritual Fasnacht in der bisherigen Form getragen haben. Edith Habraken: Ist die Basler Trommel religiös? Der Vortrag wird anhand von live auf der Trommel gespielten Beispielen die Bedeutung der Trommel und der Musik an der Basler Fasnacht erklären. Edith Habraken ist Trommel-Solistin, Komponistin und Trommelpädagogin. Sie ist wegen der Fasnachtsmusik aus Holland nach Basel ausgewandert und ist an der Fasnacht bei Cliquen sowie Wilden Gruppen aktiv. Kürzlich hat sie im Schwabe-Verlag das Buch ”Doublés mien grällele”. Auf den Spuren des Basler Trommelns» publiziert, welches sich u.a. mit der geschichtlichen Entwicklung und der kulturellen Bedeutung des Trommelns befasst. www.habraken.ch |
Literatur | http://fasnacht.ch https://www.baslerfasnacht.info https://www.fasnachts-comite.ch www.schnitzelbankbasel.ch www.basler-fasnacht.com Rebmann, Robert J. „Die Basler Fasnacht und ihre Geschichte”, „Entwicklung der Strassenfasnacht”, „Geschichte des Morgenstreich”, „Die Alten Fasnachts-Cliquen 1884-1938”, „Die Fasnacht am Ende des Mittelarters”. In www.altbasel.ch/dossier/fasnacht.html, 2004 (publiziert). Tokofsky, Peter. „Fasnacht in Basel, Switzerland – A Carnival of Contradictions, in Mauldin, Barbara (ed.). Carnaval! Seattle: University of Washington Press, 2004, s. 93-119. Wunderlin, Dominik. „Gesichtslarven in der Basler Fasnacht”. Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde. 2005/2006, Jahr. 36, s. 240-267. Hanns U. Christen, „Gedanken über: Si sind kei ächte Basler“, in Hans U. Christen et al., Unsere Fasnacht, Basel: Verlag Peter Hemann, 1971, 7-10. Trümpy, Hans. „Wesen und Ursprung der Fasnacht” In Meier, Eugen A. (ed.). Die Basler Fasnacht – Geschichte und Gegenwart einer lebendigen Tradition. Basel: Fasnachts-Comité, 1985, s. 13-22. Bienz, Karin. „Abgsprunge” – Der Schritt aus der organsierten in die wilde Fasnacht”. In Ch. Burckhardt-Seebass, J. Mooser (ed.) und die Fasnachtscliquen Alti Glaibasler, Märtplatz, Rätz und Sans-Gêne zu ihrem 75-Jahr-Jubiläum. Zwischentöne - Fasnacht und städtische Gesellschaft in Basel 1923-1998. Basel: Buchverlag der Basler Zeitung, 1998, s. 131-136. Batschelet, Bernhard. „Trommeln und Pfeifen in Basel - Stillstand oder Fortschritt”. In Fasnachts-Comité (ed.). Basler Fasnacht - vorwärts, marsch! Lääse - loose - luege! Basel: Christoph Merian Verlag, 2009, s. 60-75. Bürgi, Jürg. „Gässle!” National-Zeitung, Basel, 6.3.1974. Habraken, Edith: «Doublés mien grällele» Auf den Spuren des Basler Trommelns, Schwabe, Basel: 2019. Bürgi, Jürg. „Museum Tinguely: Kuttzlebutzer - Fasnacht”. In juerg-buergi.ch/blog. Weidkuhn, Peter. „Idelogiekritisches zum Streit zwischen Fasnacht und Protestantismus in Basel”. Basel: 1969, Separatdruck aus dem Schweiz. Archiv für Volkskunde, s. 36-74. Wohlich, David. „Wenn y's nur scho see, das Comité: Über die Hassliebe zu einer vielleicht notwendigen Institution - ein Versuch weit von aussen.” In Basler Stadtbuch. 2010, Christof Merian Stiftung, s. 232–233. Filme: YSCHTOO zur BASLER FASNACHT Dokumentarfilm vom Nicola Joray, Premiere am 11.11.2019, 93 min https://www.fasnachtderfilm.ch AND BENEATH THE MASK, DARKNESS Dokumentarfilm über Basler und Prager Fasnacht von Viola Ježková und Olga Cieslarová, Premiere am 18.1.2018, 57 min https://www.youtube.com/watch?v=AlkprlY0O7s UNESCO-Welterbe: Die Fasnacht Basel Bewerbefilm, 5 min https://www.youtube.com/watch?v=2V8x5ilPklE Sendungen: Michael Luisier (Blickpunkt Religion), Religion und Fasnacht: Geht das zusammen?, 8.2.2015, 16 min https://www.srf.ch/play/radio/blickpunkt-religion/audio/religion-und-fasnacht-geht-das-zusammen?id=de643ac7-1985-4070-99c4-d41a909d3cb5 Michael Luisier (Musik fuer einen Gast), Olga Cieslarova - Fasnaechtlerin, 25.2.2018 https://www.srf.ch/play/radio/musik-fuer-einen-gast/audio/olga-cieslarova---fasnaechtlerin?id=558b9961-4b6c-4f93-9f59-afa6c4858b6f Antonia Moser: Religionsfreiheit im Blick: Heiner Bielefeldt, 7.2.2015, 29min https://www.srf.ch/sendungen/zwischenhalt/die-religionsfreiheit-im-blick-heiner-bielefeldt |
Bemerkungen | Bereich RW (Religionswissenschaft) im M.A. Interreligious Studies |
Anmeldung zur Lehrveranstaltung | Vor dem Anlass wird das Programm an diejenigen versandt, die diese Veranstaltung belegt haben. Mittels zugesandtem Link erfolgt dann die definitive Anmeldung. |
Unterrichtssprache | Deutsch |
Einsatz digitaler Medien | kein spezifischer Einsatz |
Intervall | Wochentag | Zeit | Raum |
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Keine Einzeltermine verfügbar, bitte informieren Sie sich direkt bei den Dozierenden.
Module |
Modul: Alternative Religionsgeschichte (Master Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Erweiterung Religionswissenschaft (Bachelor Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Erweiterung Religionswissenschaft MA (Master Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Grundstudium Religionswissenschaft und Religionstheorie (Bachelor Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Öffentlichkeit und Religion (Masterstudium: Religion - Wirtschaft - Politik) Modul: Religionstheorie und Religionsforschung (Master Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Religionswissenschaft 2 (RWTh 2) (Masterstudium: Theologie) Modul: Religionswissenschaft 2 (RWTh 2) (Masterstudium: Theologie (Studienbeginn vor 01.08.2018)) Modul: Religionswissenschaft 2 (RWTh 2) (Master Studienfach: Theologie) Wahlbereich Master Interreligious Studies: Empfehlungen (Masterstudium: Interreligious Studies) |
Leistungsüberprüfung | Lehrveranst.-begleitend |
Hinweise zur Leistungsüberprüfung | Neben der Teilnahme am Studientag muss zur Thematik des Studientags ein 6 bis 8-seitiges Essay geschrieben werden. |
An-/Abmeldung zur Leistungsüberprüfung | Anmelden: Belegen; Abmelden: nicht erforderlich |
Wiederholungsprüfung | keine Wiederholungsprüfung |
Skala | Pass / Fail |
Wiederholtes Belegen | nicht wiederholbar |
Zuständige Fakultät | Philosophisch-Historische Fakultät, studadmin-philhist@unibas.ch |
Anbietende Organisationseinheit | Fachbereich Religionswissenschaft |