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Semester | Herbstsemester 2020 |
Angebotsmuster | einmalig |
Dozierende |
David Atwood (david.atwood@unibas.ch)
Jürgen Mohn (juergen.mohn@unibas.ch, BeurteilerIn) |
Inhalt | In dem Blockseminar (dem dritten Beuggener Theorie-Seminar) werden wir uns einem französischen Theoretiker und Diagnostiker unserer durch das Recht konstituierten wissenschaftlich-technologischen Religionslandschaft zuwenden: Pierre Legendre ist ein unorthodoxer Denker, der keiner französischen Denk- oder gar Schulrichtung des Mainstreams zugeordnet werden kann. Sein Denken speist sich aus der Rechtsgeschichte, aus der Psychoanalyse Freuds und Lacans, aus der kritischen Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Wissenschaften und nicht zuletzt aus seinen praktischen Erfahrungen in Afrika und mit den administrativen Eliteschulen Frankreichs. Seine Rezeption in der deutschsprachigen Wissenschaftskultur lässt allerdings zu wünschen übrig, obwohl ein nicht kleiner Teil seines grossen Werkes bereits übersetzt wurde. Es gilt daher, ihn gerade auch für die Religionswissenschaft zu entdecken und von ihm zu lernen. Viele seiner Beobachtungen (auch im Medium Film) sind faszinierend und charakterisieren treffend zeitgenössische religiöse Phänomene. Und doch wirken seine Gedankengänge und Argumentationen auch immer etwas unsystematisch und rätselhaft, eben diskussions- und interpretationsbedürftig. Daher wollen wir uns anhand von ausgesuchten übersetzten Texten, die für die Beschreibung von Religion und ihren vielfältigen Transformationen in der Gegenwart von grosser und erfrischender Bedeutung sein können, seinem Verständnis der religiösen Aspekte und Genealogien (er nennt das Filiationen) der modernen Gesellschaften zuwenden. Religionen sind für ihn zunächst einmal Systeme der Referenz, ähnlich und untrennbar verbunden mit den Rechtssystemen der modernen, insbesondere der abendländischen Gesellschaften. Welche Referenzen nimmt er als Religion in den Blick? Es geht um solche, die eine Instanz in Anspruch nehmen, die die Identität und Legitimität einer Gesellschaft und damit einen Grund zum Leben garantieren. Die Metapher des Spiegels spielt dabei eine grosse Rolle, denn es ist wie der erste kindliche Blick in einen Spiegel dieses sogenannte Spiegelstadium (in Anschluss an den Psychoanalytiker Jacques Lacan), das das erste eigene Bild (Selbstbild) darstellt, das die erste Selbstreferenz des Kleinkindes herstellt und damit zu dessen Subjektwerdung beiträgt. Die sich durch den ersten Blick in den Spiegel sich ergebende Struktur zeigt dem Kind, wer es ist. Hierbei spielt wiederum die Referenz auf die Eltern, die dem Kind gegenüber das Bild im Spiegel als das seinige beglaubigen, die Rolle einer Beglaubigungsinstanz, eines fundamentalen Grundes der Subjektivität des Kindes. Dieses Stadium überträgt Legendre auf die Legitimationsinstanzen in den Gesellschaften und fragt, wie gesellschaftlich ein Grund zum Leben und dann durch welche Instanz garantiert werden könne. Hier kommt Religion ins Spiel, weil diese die Referenz auf den absoluten Dritten, Gott oder die Elterninstanz herstellt. «Fabrikation», «theatrale Inszenierung» oder «Montage» sind die Begriffe, die Legendre für die Identitätsstrukturen der Gesellschaft verwendet. Inwiefern in dieser Struktur Religion zum Ausdruck kommt und daher die Macht und das Politische oder Rechtliche immer durch eine religiöse Struktur bestimmt sind, wollen wir in dem Seminar im Anschluss an die Texte Legendres diskutieren. |
Lernziele | Erarbeitung und Diskussion der Bedeutung von Legendres Denken für eine Religionstheorie in den Geistes- und Humanwissenschaften; die Relevanz der Religionstheorie Legendres für das Verständnis der gegenwärtigen Gesellschaftsstrukturen zu erfassen. |
Literatur | Zur vorbereitenden Lektüre des Einführungstages: Pierre Legendre: «Reformatio totius orbis. Überlegungen zum Universalismus des abendländischen Christentums. Erzählung aus melancholischen Zeiten», in: Paulus-Lektüre, hg. von Sabine Biebl und Clemens Pornschlegel, München: Fink 2013, S. 221-240. Als freiwillige einführende Darstellung des theoretischen Ansatzes von Pierre Legendre empfiehl sich die Lektüre von: Sabine Hackbarth: «Quid est pictura? Pierre Legendres Dogmatik des Bildes und die Frage nach dem göttlichen Spiegel», in: Die Zivilisation des Interpreten. Studien zum Werk Pierre Legendres, hg. von Georg Mein, Wien: Turia und Kant 2012, S. 109-126 Diese und die weiteren Texte zum Blockseminar werden auf ADAM zur Verfügung gestellt. |
Bemerkungen | Neben dem Blockseminar im Schloss Beuggen findet ein Vorbereitungstreffen statt, wofür der Text von Pierre Legendre: «Reformatio totius orbis. Überlegungen zum Universalismus des abendländischen Christentums. Erzählung aus melancholischen Zeiten» zu lesen ist. Die Einführungssitzung findet am 25.09. von 9:30 bis 11 Uhr im grossen Seminarraum am Nadelberg 10 statt. Folgendermassen werden wir uns treffen und Texte besprechen (siehe ADAM): Donnerstag, 26.11.: 14.00-16.00: „Reformatio totius orbis“, Paulus-Lektüre, S. 221-240. 16.30-18.30: Gesellschaft als Text (Auszüge, S. 39-97 und 157-166) Film-Abend: Die Fabrikation des abendländischen Menschen (Text freiwillig, in: Vom Imperativ der Interpretation) Freitag, 27.11.: Diskussion von "Gott im Spiegel", folgende Auszüge: Prolog (13-25), freiwillig S. 77-88; Haupttext (!): S. 181-335 sowie 373-388. Dabei werden wir spontan entscheiden: höchstens 90 Minuten am Stück; nach Bedürfniss Pausen, Lektürephasen oder kleinere Diskussionsgruppen via Breakout Session. Abends schauen wir den zweiten Film (Dominium Mundi). Den Samstagvormittag lassen wir voraussichtlich weg - es sei denn, am Freitagabend kommt das Bedürfnis auf, diese Entscheidung zu revidieren. |
Teilnahmebedingungen | keine |
Unterrichtssprache | Deutsch |
Einsatz digitaler Medien | kein spezifischer Einsatz |
Intervall | Wochentag | Zeit | Raum |
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Keine Einzeltermine verfügbar, bitte informieren Sie sich direkt bei den Dozierenden.
Module |
Modul: Alternative Religionsgeschichte (Master Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Aufbaustudium Religionskomparatistik und Religionstheorie (Bachelor Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Erweiterung Religionswissenschaft (Bachelor Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Erweiterung Religionswissenschaft MA (Master Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Institutionen, Verbände, Religionsgemeinschaften (Masterstudium: Religion - Wirtschaft - Politik) Modul: Religion, Narration und Medien (Master Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Religion, Ökonomie und Recht (Master Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Religionskomparatistik (Master Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Religionsphilosophie und Religionswissenschaft (Masterstudium: Interreligious Studies) Modul: Religionstheorie und Religionsforschung (Master Studienfach: Religionswissenschaft) Modul: Religionswissenschaft 2 (RWTh 2) (Masterstudium: Theologie (Studienbeginn vor 01.08.2018)) Modul: Religionswissenschaft 2 (RWTh 2) (Masterstudium: Theologie) Modul: Religionswissenschaft 2 (RWTh 2) (Master Studienfach: Theologie) |
Leistungsüberprüfung | Lehrveranst.-begleitend |
Hinweise zur Leistungsüberprüfung | Es soll als Vorbereitung ein vierseitiges Thesenpapier (ausformuliert) eingereicht werden. Dieses sowie die Präsenzzeit an der Einführungssitzung und am Blockseminar gelten als Leistungsnachweis. |
An-/Abmeldung zur Leistungsüberprüfung | Anmelden: Belegen; Abmelden: nicht erforderlich |
Wiederholungsprüfung | keine Wiederholungsprüfung |
Skala | Pass / Fail |
Wiederholtes Belegen | nicht wiederholbar |
Zuständige Fakultät | Philosophisch-Historische Fakultät, studadmin-philhist@unibas.ch |
Anbietende Organisationseinheit | Fachbereich Religionswissenschaft |