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50366-01 - Vorlesung: Sappho. Die erste Liebeslyrikerin und Lesbos (mit einem Blick auf ihre moderne Rezeption) 2 KP

Semester Frühjahrsemester 2018
Angebotsmuster einmalig
Dozierende Anton F.H. Bierl (a.bierl@unibas.ch, BeurteilerIn)
Inhalt Sappho, die nahezu einzige wirklich grosse Dichterin der archaischen und klassischen Zeit, lebte um 600 v. Chr. auf der Mittelmeerinsel Lesbos. Ihr dichterisches Werk, das sich hauptsächlich um Liebe, das Leben im Sapphischen Mädchenkreis und ästhetische Reflexionen dreht, soll sehr umfangreich gewesen sein. Platon bezeichnete sie bezeichnenderweise als zehnte Muse. Lange galt sie als Erzieherin oder Leiterin eines religiösen Thiasos, deren Leben man biographistisch nachzuzeichnen versuchte, während man heute gern auch das Modell einer Führerin eines Chores heranzieht und ihr fiktives mythopoetisches Rollenspiel erkennt. In der neueren Forschung wird Sappho insbesondere von weiblichen Interpreten als Feministin avant la lettre gedeutet. Diese moderne Interpretationsweise soll auf ihre historische Angemessenheit hin überprüft werden.
Ferner wird die Vorlesung auch ein besonderes Augenmerk auf die antike und moderne Sappho-Rezeption und Sapphos prominente Rolle in der modernen Genderdebatte legen. In diesem Zusammenhang wird Sapphos Status als Gallionsfigur der aktuellen LGBT-Bewegung ebenfalls kritisch aus der Warte der Primärrezipienten hinterfragt werden müssen.
Die Deutung der "frühgriechischen Lyrik", die Sappho exemplarisch verkörpert, ist von zahlreichen modernen Rezeptionsfiltern beeinflusst. Die wunderschönen Liedtexte dürfen freilich nicht mit einem romantischen Gefühl der Innerlichkeit und der Entdeckung des Individuums gleichgesetzt werden. Vielmehr sind es öffentliche Texte, die sich an einen Adressaten richten und sich durch eine starke Anlassgebundenheit auszeichnen. Der Sinn der Lieder lässt sich also pragmatisch aus dem mündlichen Performancekontext erschliessen, d. h. aus ihrem spezifischen 'Sitz im Leben'. Moderne Vorstellungen des Lyrischen und der Ästhetik des Fragments dürfen daher nicht anachronistisch auf Sappho zurückprojiziert werden. Neben dem adäquaten Verständis der Kontextbedingungen und der exakten philologischen Einordung geht es vor allem um den Ansatz, die Gedichte in ihrer ästhetischen Dimension als Ausdruck einer oralen Performance- und Liedkultur zu würdigen. Dabei spielt auch Sapphos Verwendung des chorischen Modells sowie des mythischen und rituellen Diskurses in der Ausbildung der ihr anvertrauten Mädchen zum Schönen eine zentrale Rolle. Vom originalen Okkasionsrahmen räumlich und zeitlich entfernt nehmen die Gedichte in Re-Performances unter neuen Bedingungen (z.B. im Athen des 4. Jhd. v. Chr. am Polisfest der Panathenäen und im männlichen Symposion) sowie vor allem beginnend mit dem Hellenismus als Lesetexte neue Bedeutungsschattierungen an. Zudem werden die neuesten papyrologischen Sappho-Funde von 2004 und 2014 und deren erste Deutungen vorgestellt. Ziel der Vorlesung ist es, eine beträchtliche Auswahl der längeren, bekannten und weniger bekannten Fragmente nach philologischen, literatur- und kulturwissenschaftlichen Kriterien eingehend zu interpretieren und als examplarische Texte der Geisteswissenschaft, in denen moderne Theorie und Rezeption mit archaisch-fremder Alterität im Austausch stehen, zu diskutieren.
Lernziele – Vertrautwerden mit dem Fach Gräzistik
– Kennenlernen der griechischen Liedkultur
– Kennenlernen und Problematisierung der Gattung der frühgriechischen Lyrik
– Vergleich mit moderner Lyrik
– Vertrautwerden mit dem Diskurs der Liebe
– Sappho und die Gendertheorie
– Vertrautwerden mit Sapphos mythisch-ritueller Poetik
– Kennenlernen einiger Grundlagen der Metrik
– Behandlung der Thematik Mündlichkeit/Schriftlichkeit
– Vertrautwerden mit dem Prinzip der Okkasionalität
– philologische, anthropologische und historisch-kritische Lektüre wichtiger Gedichte
– Vertrautwerden mit wichtigen Forschungsproblemen
– Vertrautwerden mit der Problematik, die Gedichte als historische Quelle der archaischen Geschichte zu lesen
– Vertrautwerden mit den neuesten papyrologischen Funden (2004, 2014)
– Erlernen von philologischen sowie kultur- und literaturwissenschaftlichen Interpretationsmodellen
– Blick auf die moderne Nachwirkung und Sappho-Rezeption
Literatur Zweisprachige Ausgabe:
A. Bagordo, Sappho: Gedichte. Griechisch – Deutsch, hrsg. und übersetzt, Berlin 2011

Massgeblicher griechischer Text:
E.-M. Voigt, Sappho et Alcaeus: Fragmenta (= V.), Amsterdam 1971


Sekundärliteratur:
E. Greene (Hrsg.), Reading Sappho. Contemporary Approaches, Berkeley-Los Angeles-London 1996
E. Greene (Hrsg.), Re-Reading Sappho. Reception and Transmission, Berkeley-Los Angeles-London 1996
H. Saake, Zur Kunst Sapphos. Motiv-analytische und kompositionstechnische Interpretationen, München 1971
R. Schlesier, Sappho, in: P. v. Möllendorff, A. Simonis, L. Simonis (Hrsg.), Historische Gestalten der Antike. Rezeption in Literatur, Kunst und Musik (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 8), Stuttgart/Weimar 2013, Sp. 835–860.
D. Yatromanolakis, Sappho in the Making. The Early Reception, Cambridge MA 2007


Bemerkungen Studierende der Gräzistik und Latinistik sowie der Altertumswissenschaften, bes. auch der Klass. Archäologie und der Alten Geschichte als Vertiefung der Vorlesung zur archaischen Periode; ferner Studierende der modernen Philologien, des Interphilologischen Bereichs und der modernen und allgemeinen Literaturwissenschaften, Medienwissenschaften, der Religionswissenschaft, Philosophie. Interessierte HörerInnen anderer Fächer und aller Fakultäten sind ebenfalls herzlich willkommen.
Auch geeignet für die Zertifikate “Ancient Greek and Modern Theatre & Performance Studies” und “Literatur und Religion: Mythopoetik
Weblink https://klaphil.unibas.ch/graezistik/

 

Teilnahmebedingungen keine Griechischkenntnisse notwendig, alles wird auch in dt. Übersetzung behandelt.

HörerInnen sind herzlich willkommen!
Unterrichtssprache Deutsch
Einsatz digitaler Medien kein spezifischer Einsatz
HörerInnen willkommen

 

Intervall Wochentag Zeit Raum

Keine Einzeltermine verfügbar, bitte informieren Sie sich direkt bei den Dozierenden.

Module Ergänzungsmodul Griechische Philologie (Bachelor Studiengang: Altertumswissenschaften (Studienbeginn vor 01.08.2013))
Ergänzungsmodul Griechische Philologie (Bachelor Studienfach: Altertumswissenschaft (Studienbeginn vor 01.08.2013))
Modul Antike / monotheistische / aussereuropäische Religionen (Bachelor Studienfach: Religionswissenschaft)
Modul Griechische Literaturwissenschaft & Literaturgeschichte (Master Studienfach: Griechische Philologie (Studienbeginn vor 01.08.2013))
Modul Griechische Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte (Bachelor Studienfach: Altertumswissenschaft (Studienbeginn vor 01.08.2013))
Modul Griechische Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte (Bachelor Studiengang: Altertumswissenschaften (Studienbeginn vor 01.08.2013))
Modul Griechische Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte BA (Bachelor Studienfach: Altertumswissenschaften)
Modul Griechische Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte BA (Bachelor Studiengang: Altertumswissenschaften)
Modul Griechische Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte MA (Master Studienfach: Gräzistik)
Modul Grundstudium Schwerpunkt Gräzistik (Bachelor Studienfach: Altertumswissenschaften)
Modul Grundstudium Schwerpunkt Gräzistik (Bachelor Studiengang: Altertumswissenschaften)
Modul Literaturgeschichte (Master Studiengang: Literaturwissenschaft)
Modul Vertiefung & Moderne Anwendung (Master Studienfach: Griechische Philologie (Studienbeginn vor 01.08.2013))
Modul Vertiefung und Moderne Anwendung: Literatur-, Religions-, Textwissenschaft (Master Studienfach: Gräzistik)
Leistungsüberprüfung Leistungsnachweis
Hinweise zur Leistungsüberprüfung regelmässige Teilnahme, Kurzklausur am Ende des Semesters
An-/Abmeldung zur Leistungsüberprüfung Anmelden: Belegen; Abmelden: nicht erforderlich
Wiederholungsprüfung eine Wiederholung, Wiederholung zählt
Skala Pass / Fail
Wiederholtes Belegen nicht wiederholbar
Zuständige Fakultät Philosophisch-Historische Fakultät, studadmin-philhist@unibas.ch
Anbietende Organisationseinheit Fachbereich Gräzistik

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