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Semester | Frühjahrsemester 2012 |
Angebotsmuster | einmalig |
Dozierende | Matthias Hauck (matthias.hauck@unibas.ch, BeurteilerIn) |
Inhalt | Literaturauswahl: 1. alle skandinavischen Nationalliteraturen sind mit je einem Roman vertreten. 2. die ausgewählten Werke sind Teil des heute geltenden literarischen Kanons und repräsentieren wichtige Stationen der literarischen Produktion des 20. Jahrhunderts in den nordischen Ländern. 3. Die Romane haben alle eine filmische Umsetzung erfahren. 4. Die Romane vergegenwärtigen alle in irgendeiner Form die Vergangenheit, ohne allerdings der literarischen Gattung des historischen Romans folgen zu müssen. Im Zentrum des Seminars stehen somit sieben skandinavische Klassiker, die uns mit Hilfe von ganz unterschiedlichen erzählerischen Strategien in eine mehr oder weniger weit entfernte Welt entführen, eine Welt, die sich auch deutlich von jener der Entstehungszeit der Texte unterscheidet. So siedelte Selma Lagerlöf ihren 1904 erschienen Roman "Herr Arnes penningar" im eisigen und winterlichen Schweden des 16. Jahrhunderts an, Jörgen-Frantz Jacobsen entschied sich bei seinem Roman "Barbara" für die Bearbeitung eines färöischen Sagenstoffs aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und goss diesen 1939 in eine neue poetische Form, während Halldór Laxness schon sechs Jahre früher seine kurze Erzählung "Ungfrúin góða og húsið" zwischen Island und Dänemark der Jahre 1880 bis 1900 hin und her pendeln liess. Mit "Babettes Gæstebud" (1950) von Karen Blixen und "Dinas bok" (1989) von Herbjørg Wassmo werden zwei Werke zur Sprache kommen, die unterschiedlicher nicht sein können, obwohl beide mit dem historischen Kolorit der nordnorwegischen Verhältnisse zwischen 1840-1870 ausgestattet sind; Der finnlandschwedische Autor Lars Sund wiederum begibt sich in seinen Erfolgsromanen "Colorado Avenue" (1991) und "Lanthandlerskans son" (1997) auf die Spurensuche nach dem Urgrossvater seines Erzählers und zeichnet in einer grossangelegten, postmodern erzählten Familiensaga das Leben in Österbotten von 1893 bis 1992 nach, wobei die Grenze zwischen fiktional und faktual etwa vierzig Kilometer hinter Vaasa, kurz vor Siklax, verläuft. Mit einem Schmunzeln darf zur Kenntnis genommen werden, dass sich zahlreiche Leser und Leserinnen, von der Authentizität dieses Romans getäuscht, auf die vergebliche Suche nach Siklax machten. Wem gehört die Geschichte? Wie beeinflusst die literarische Vermittlung unser Geschichtsbild? Welche Ideologien liegen den literarischen Werken zu Grunde? Dies werden zentrale Fragen des Seminars sein. Wenn die Politik der Geschichte gedenkt, die Wissenschaft die Geschichte erforscht, so erzählen und interpretieren die Künste die Geschichte. Verschiedentlich ist dabei bemerkt worden, dass der Anspruch auf die Deutungshoheit von Geschichte durch Literatur und auch Film in den letzten Jahren zugenommen habe. Dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass, im Gegensatz zu Politik, Soziologie und Geschichtswissenschaften, Literatur und Film ein freierer Umgang mit Geschichte zugestanden wird, dass die freie Behandlung und Ausdeutung von Geschichte gerade ein wesentliches Merkmal des literarischen narrativen Umgangs mit Geschichte ist. Indem eine literarische Erzählung faktische Zeugnisse mit künstlerischen Fiktionen verknüpft, löst sie sich von dem blossen Versuch einer Rekonstruktion und erfindet Geschichte neu. Diese Lizenz zur Erfindung muss nicht unmittelbar mit Verfälschung, Willkür oder Täuschung zu tun haben, denn im Gegensatz zum Historiker darf der Künstler glaubhaft erzählen, was geschehen ist, was geschehen kann und was hätte geschehen können. Der literarische und filmische Prozess der Vergegenwärtigung von Vergangenheit steht somit immer im Spannungsfeld zwischen Rekonstruktion, Imagination und Projektion. Am Beispiel der ausgewählten Romane sollen verschiedene Möglichkeiten dieses Prozesses zur Sprache kommen. "Ich bin ein begeisterter Dachbodenarchäologe. Selbstverständlich bin ich auf diesem wie auf allen anderen Gebieten Amateur: ein zwar enthusiastischer, aber unbeholfener Forscher. In der Dachbodenarchäologie ist ein amateurhaftes Vorgehen jedoch unvermeidbar: Bedauerlicherweise wird diese Wissenschaft nämlich vernachlässigt, an den Universitäten ist sie nicht vertreten. Kein Professor lehrt sie, weder in Zeitschriften noch in Journalen wird sie behandelt, die Forschung geschieht sporadisch und ist schlecht dokumentiert. Das ist äusserst schade. Die Dachbodenarchäologie ist eine wertvolle Stütze bei der Erforschung der Geschichte." (aus Lars Sund: "Lanthandlerskans son"). Wer also Freude an Literatur sowie Interesse an Geschichte mitbringt und theoretischen Fragestellungen zum wechselvollen Verhältnis von Geschichte und Literatur nicht aus dem Weg geht, ist in diesem Kurs herzlich willkommen. |
Literatur | Primärliteratur Selma Lagerlöf: Herr Arnes penningar (1904) Halldór Laxness: Ungfrúin góða og húsið (1933) Jørgen-Frantz Jacobsen: Barbara (1939) Karen Blixen: Babettes Gæstebud (1950) Herbjørg Wassmo: Dinas bok (1989) Lars Sund: Colorado Avenue (1991) Lars Sund: Lanthandlerskans son (1997) Filme Mauritz Stiller: Herr Arnes pengar (1919) Guðný Halldórsdóttir: Ungfrúin góða og húsið (1999) Frank Wisbar: Barbara - wild wie das Meer (1961) Nils Malmros: Barbara (1997) Gabriel Axel: Babettes Gæstebud (1987) Ole Bornedal: I am Dina (2002) Claes Olsson: Colorado Avenue (2007) Sekundärliteratur Georg Lukacs: Der historische Roman. 1936/37 Gerhard Bauer: "Geschichtlichkeit". Wege und Irrwege eines Begriffs. Berlin 1963. Rainer Rother: Bilder schreiben Geschichte: Der Historiker im Kino. Berlin 1991. Hugo Aust: Der historische Roman. Stuttgart 1994. Ansgar Nünning: Von historischer Fiktion zu historiographischer Metafiktion. Trier 1995. Andreas Hartmann (Hg.): Historizität. Vom Umgang mit Geschichte. Münster 2007. Louis Begley: Zwischen Fakten und Fiktionen. Heidelberger Poetikvorlesungen. Frankfurt am Main 2008. Hans Vilmar Geppert: Der Historische Roman. Geschichte umerzählt von Walter Scott bis zur Gegenwart. Tübingen 2009. Michael Braun: Wem gehört die Geschichte? Erinnerungskultur in Literatur und Film. Berlin 2010. Carsten Storm: Imagination der Geschichte. Authentizität, Historizität, Widerstand und Identität in chinesischen historischen Romanen. Wiesbaden 2010. |
Bemerkungen | Zur Anschaffung empfohlen Selma Lagerlöf: Geschichten von Trollen und Menschen (enthält Herr Arnes Schatz) 2007. ISBN-10: 3423135948: ISBN-13: 978-3423135948 Tania Blixen: Babettes Fest (gebundene Ausgabe von Manesse) 2003. ISBN-10: 3717540343; ISBN-13: 978-3717540342 Herbjørg Wassmo: Das Buch Dina (Knaur Taschenbuch) 2008. ISBN-10: 3426638606; ISBN-13: 978-3426638606 Halldór Laxness: Das gute Fräulein (Steidl Taschenbücher 90) 2002. ISBN-10: 3882434724; ISBN-13: 978-3882434729 Lars Sund: Der Kanisterkönig (Deutsche Verlagsanstalt DVA) 1999. ISBN-10: 3421051895; ISBN-13: 978-3421051899 (antiquarisch erhältlich) Lars Sund: Der Wolkenkletterer (Deutsche Verlagsanstalt DVA) 2001. ISBN-10: 3421054231; ISBN-13: 978-3421054234 (antiquarisch erhältlich) Der Roman "Barbara" wird als PDF verteilt. |
Weblink | www.isis.unibas.ch |
Teilnahmevoraussetzungen | Angenommene Proseminararbeit in der neueren Literatur der Nordischen Philologie |
Unterrichtssprache | Deutsch |
Einsatz digitaler Medien | kein spezifischer Einsatz |
Intervall | Wochentag | Zeit | Raum |
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Keine Einzeltermine verfügbar, bitte informieren Sie sich direkt bei den Dozierenden.
Module |
Modul Neuere Skandinavische Literaturwissenschaft I (Master Studienfach: Nordische Philologie) Modul Neuere Skandinavische Literaturwissenschaft II (Master Studienfach: Nordische Philologie) Modul Wissenschaftliches Arbeiten: Skandinavische Literaturwissenschaft (Bachelor Studienfach: Nordische Philologie) |
Prüfung | Lehrveranst.-begleitend |
An-/Abmeldung zur Prüfung | Anmelden: Belegen; Abmelden: nicht erforderlich |
Wiederholungsprüfung | keine Wiederholungsprüfung |
Skala | Pass / Fail |
Belegen bei Nichtbestehen | nicht wiederholbar |
Zuständige Fakultät | Philosophisch-Historische Fakultät, studadmin-philhist@unibas.ch |
Anbietende Organisationseinheit | Fachbereich Nordistik |