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25615-01 - Seminar: Fiktion des Faktischen: Historisches Erzählen im 19. Jahrhundert (3 KP)

Semester Herbstsemester 2010
Angebotsmuster einmalig
Dozierende Jürgen Mischke (juergen.mischke@unibas.ch)
Hubert Thüring (hubert.thuering@unibas.ch, BeurteilerIn)
Inhalt Im Wort Geschichte verdichtet sich die Problematik dieses Seminars, das sich gleichermaßen an Studierende der Geschichts- wie der Literaturwissenschaft richtet. Es verweist auf „Geschehenes“, das tatsächlich in der Vergangenheit passiert sein soll und von der Historie aufgezeichnet wird, andererseits steht der Ausdruck Geschichte schlicht für eine Erzählung. Ist die Historiographie nur eine Erzählung über die Vergangenheit, eine narrative Form der Wirklichkeitsdeutung? – Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Geschichte und Dichtung nach der aristotelischen Unterscheidung deutlich getrennt. Im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert wandelte sich eine statische, transzendente Historie mit enzyklopädischem Charakter zu einer kohärenten und ästhetischen Erzählung der Vorgeschichte der Gegenwart und der Nation. Ausgehend von Theoretisierungsversuchen der Historie (Herder, Humboldt, Hegel, Ranke, Droysen etc.) etablierte sich in der Reflexion der Darstellbarkeit historischer Ereignisse eine neue, eine literarische Form des Historischen, die nicht minder "wahr" sein wollte als die professionelle Historiographie. Die Rede ist vom Historischen Roman, einer literarischen Gattung, die seit über 150 Jahren außergewöhnlich erfolgreich ist. − Historische Stoffe, die nicht den traditionellen Beständen entstammten, sondern den vergessenen oder neu erschlossenen Quellen einer nationalen Vorgeschichte oder der jüngeren Ereignisse, wurden im deutschen Sprachraum zunächst vor allem dramatisiert, von Goethes Götz (1773) über Schillers Tell (1805) und Kleists Hermannsschlacht (1808) bis zu Grabbes Napoleon (1831) und Büchners Danton (1835). Die Entwicklung der historischen Erzählung, insbesondere des historischen Romans wird dagegen meist als erfolgreiche Wirkungsgeschichte einer Rezeption erzählt: Vom Vorbild Scotts Ivanhoe (1820) über Zschokkes Addrich im Moos (1824) und Hauffs Lichtenstein (1826) in der Frühphase bis zu von Scheffels Ekkehard (1855), Stifters Witiko (1867) oder Fontanes Vor dem Sturm (1878). − Die literaturwissenschaftliche Forschung hatte sich der literarischen Erzählung von Historie erst zögerlich angenommen (Lukács 1955). Doch die interdisziplinäre Debatte zwischen Literatur- und Geschichtswissenschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jh. über das Erzählen der Geschichte (White, Greenblatt, Rüsen etc.) hat in jüngster Zeit einige Arbeiten angeregt, die einen neuen Blick auf das "Machen von Geschichte" in der Literatur des 19. Jh. werfen (Fulda, Kimmich, Süssmann). − Das Seminar befasst sich ausgehend von einem Überblick und einem aktuellen Forschungsstand zum einen mit der historistisch-geschichtswissenschaftlichen Theorie und Praxis der narrativen Darstellung von Geschichte. Zum anderen werden historische Romane und Erzählungen auf ihre narrativen, poetischen und diskursiven Spezifika hin untersucht. Und schließlich sollen jeweils die expliziten und impliziten Analogien und Differenzen zwischen der wissenschaftlichen und der literarischen Historie herausgearbeitet werden.
Lernziele Die Studierenden zeigen ein spezifisches Interesse für das Verhältnis von Geschichte und Literatur. Sie erarbeiten sich einen Überblick über und spezifische Einblicke in das Spannungsfeld von ‚historischem Erzählen‘ im Doppelsinn von fiktionaler Verarbeitung historischer Stoffe und wissenschaftlicher Darstellung historischer Faktualität.
Literatur Hugo Aust: Der historische Roman, Stuttgart 1997; Daniel Fulda: Wissenschaft aus Kunst. Die Entstehung der modernen deutschen Geschichtsschreibung 1760-1860, Berlin et al.1996; Johannes Süssmann: Geschichtsschreibung oder Roman? Zur Konstitutionslogik von Geschichtserzählungen zwischen Schiller und Ranke (1780−1824), Stuttgart 2000.
Bemerkungen Literatur vor und nach 1850. Teilnahmebeschränkung: max. 40 Studierende.
Vorausgesetzt als Vorbereitung wird die Lektüre von zwei Texten: 1. Scott, Walter: Ivanhoe, München: dtv 2009, als Buch zu besorgen. 2. Hayden White: Auch Klio dichtet oder Fiktion des Faktischen, Stuttgart 1991, S. 101−122 (Kap. 3: „Der historische Text als literarisches Kunstwerk“) und S. 145−160 (Kap. 5: „Die Fiktionen der Darstellung des Faktischen“), wird als Kopie zur Verfügung gestellt.

 

Teilnahmevoraussetzungen Abgeschlossene Proseminarstufe
Anmeldung zur Lehrveranstaltung über ISIS erforderlich (www.isis.unibas.ch )
Unterrichtssprache Deutsch
Einsatz digitaler Medien kein spezifischer Einsatz
HörerInnen willkommen

 

Intervall Wochentag Zeit Raum

Keine Einzeltermine verfügbar, bitte informieren Sie sich direkt bei den Dozierenden.

Module Interphilologische Lehrveranstaltungen für die Slavistik (Master Studienfach: Slavistik)
Modul Allgemeine Literaturwissenschaft (Master Studienfach: Deutsche Literaturwissenschaft)
Modul Allgemeine Literaturwissenschaft (Master Studienfach: Neuere Deutsche Literaturwissenschaft)
Modul Aufbaustudium Neuere Deutsche Literaturwissenschaft (Master Studienfach: Neuere Deutsche Literaturwissenschaft)
Modul Disziplinäre Vertiefung (Bachelor Studienfach: Deutsche Philologie)
Modul Einführungswissen Neuere Deutsche Literaturwissenschaft (Bachelor Studienfach: Deutsche Philologie)
Modul Neuere Deutsche Literaturwissenschaft II (Master Studienfach: Deutsche Philologie)
Prüfung Lehrveranst.-begleitend
Hinweise zur Prüfung Referat mit Thesenpapier und Nachbericht.
An-/Abmeldung zur Prüfung Anmelden: Belegen; Abmelden: nicht erforderlich
Wiederholungsprüfung keine Wiederholungsprüfung
Skala Pass / Fail
Belegen bei Nichtbestehen nicht wiederholbar
Zuständige Fakultät Philosophisch-Historische Fakultät, studadmin-philhist@unibas.ch
Anbietende Organisationseinheit Deutsches Seminar

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